
DNA als Verstärker: Start-up mit Origami-Technologie erhält 5 Mio. Euro
DNA-Origami als Gamechanger: Das Münchner Start-up Amplifold will Schnelltests auf ein neues Niveau heben und hat in einer überzeichneten Seed-Finanzierungsrunde rund 5 Mio. Euro eingesammelt. Neben den Lead-Investoren Matterwave Ventures und XISTA Science Ventures beteiligten sich auch b2venture, Becker Ventures sowie Bayern Kapital, die Venture-Capital-Einheit des Freistaats Bayern.
Die Vision ist ebenso ambitioniert wie konkret: diagnostische Schnelltests, die in wenigen Minuten nahezu Laborpräzision erreichen – und das ohne Labor, ohne teure Geräte, direkt am Point-of-Care. Das Münchner Start-up Amplifold, ein Spin-off der LMU aus diesem Jahr, arbeitet genau daran und konnte dafür nun namhafte Investoren gewinnen.
Mit dem Kapital will Amplifold seine Technologie weiterentwickeln, das Team ausbauen und die europäische IVDR-Zulassung seines ersten Diagnostikprodukts vorbereiten. Der Umzug ins Gründerzentrum IZB Martinsried soll den Zugang zu Forschung und klinischen Partnern erleichtern.
Ein Durchbruch für Lateral-Flow-Tests
Der Markt für Point-of-Care-Tests wächst weltweit rasant und könnte bis 2030 die 80-Milliarden-Dollar-Marke überschreiten. Doch trotz vieler Erfolge stoßen klassische Lateral-Flow-Assays – etwa für Infektionen oder Herz-Kreislauf-Marker – technisch oft an Grenzen: Ihre Sensitivität reicht im Durchschnitt nur bis etwa 75 Prozent, Fehldiagnosen sind nicht selten.
Amplifold setzt hier an – mit einer Technologie, die aus der Grundlagenforschung stammt: DNA-Origami, also programmierbare Nanostrukturen aus DNA, sollen die Signalverstärkung in Schnelltests um das bis zu 100-Fache erhöhen. Die Idee: Auf jedes einzelne Bindungsereignis eines Tests können deutlich mehr Signalgeber gebracht werden, ohne das Testformat selbst zu verändern. Damit wäre erstmals eine Art „PCR-Genauigkeit“ in Minuten möglich.
Eine Publikation in Nature Communications hatte die Machbarkeit bereits gezeigt. Autor Prof. Dr. Tim Liedl, Professor für Experimentalphysik an der LMU und Leiter des Nanoengineering-Labors, aus dem Amplifold hervorgegangen ist, kommentiert: „In den vergangenen Jahren hat unsere Gruppe daran gearbeitet, DNA-Origami von einem faszinierenden wissenschaftlichen Konzept in einen robusten Werkzeugkasten für Nanoingenieurwesen zu verwandeln. Das Team von Amplifold steht an vorderster Front, wenn es darum geht, diese Fortschritte in einen realen diagnostischen Nutzen zu übersetzen. Es ist äußerst erfreulich zu sehen, wie eine Technologie, die in unserem Labor entwickelt und über Jahre weitergeführt wurde, nun den Weg in Klinik und Markt findet – unterstützt von einem starken Investorenkonsortium.“
Amplifold führt diesen Ansatz nun in die möglichen Einsatzgebieten in der Kardiologie, Infektionsmedizin oder Neurologie, etwa bei Schlaganfällen.
Hohe Erwartungen an ein junges Team
„Lateral-Flow-Tests haben Diagnostik demokratisiert, aber ihre Empfindlichkeit war immer der limitierende Faktor“, sagt Mitgründer Maximilian Urban, der die Kombination aus DNA-Origami und Lateral-Flow-Assays wissenschaftlich begründet hat. Die neue Plattform ändere dieses Grundproblem erstmals grundlegend. Auch bei Bayern Kapital ist man überzeugt, dass hier eine neue Generation der Diagnostik entsteht. Geschäftsführerin Monika Steger sieht in Amplifold einen Technologievorreiter, der „Laborgenauigkeit in Minuten“ ermöglichen und das Testen am Point-of-Care weltweit verändern könnte.
Im Gründerteam vertreten ist auch Federico Bürsgens, der mit der von ihm mitgegründeten GNA Biosolutions während der Corna-Pandemie für lokale Furore sorgte, auf unterschiedlichen Ebenen. Damals ging es um eine schnelle und verstärkte Signalmessung ähnlich der PCR, die eine rasche Diagnostik vor Ort ermöglichen sollte. Die bereits vor der Pandemie im Prototyp getestete Methode erhielt beim Ausbruch von COVID-19 plötzlich höchste politische Aufmerksamkeit und einiges Fördergeld. Weil dann aber Kontakte in die Politik wohl bei einem dubiosen Berater hohe Honorare aufscheinen ließen, gerieten die damaligen Firmeneigener unter kräftigen medialen Druck. Der Test selbst konnte die hohen Erwartungen nicht rechtzeitig erfüllen, der Fortgang der Pandemiebekämpfung über die Impfung und viele weitere Schnelltestverfahren schob GNA Biosolutions restlos aus dem Scheinwerferlicht. Schließlich wurde das Unternehmen von Hewlett Packard gekauft, worüber niemand mehr groß Aufhebens machen wollte.
Die Münchner Region scheint immer wieder auf, wenn es um DNA-Origami geht, was an einer Schule von Physikprofessoren liegen muss, die sich sowohl an der TU München wie an der LMU angesiedelt haben. Bereits vor rund zehn Jahren hatte man damals noch visionär von DNA-Robotern auf einem acatech-Symposium mit Prof. Wolfgang Heckl (Deutsches Museum) und Friedrich Simmel (TUM) in der Nähe zu neuen Kunstformen der Wissenschaft gesprochen. Aus der reinen Vorstellungskraft der Künstler sind die DNA-Werkzeuge nun etwa auch in den Unternehmungen von Prof. Dietz (TUM) in der Realität angekommen.


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